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BNN Trauer Trilogie - Geschichten aus der Gruft

Letzte Änderung 04. September 2014

Bestatter

Die drei Brettener Bestatter Holz, Schick und Eisenbeis berichten von ihrer täglichen Arbeit

Bretten.
Aschfahle Wangen, schwarze Zylinder und schiefe, blinkende Goldzähne – glücklicherweise haben die drei Brettener Bestatter nichts vom diesem Klischee an sich. Etwas mulmig wird einem schon beim Gang durch das Sarglager oder die Grabsteinallee. Aber wieso auch nicht die alte wuchtige Kerze als Türstopper verwenden? Die Arbeit als Bestatter ist weitaus vielfältiger, als sie sich dem vorurteilsbefleckten Auge präsentiert.


Birgit Holz, Ulrich Schick und Martin Eisenbeis von den Bestattungshäusern Holz, Schick und Ernst erzählen ganz unterschiedlich von ihrer täglichen Arbeit. Dabei haben alle drei erst kürzlich neue Wege beschritten: Holz machte sich im April selbstständig, Familie Schick erweiterte im März vom Steingestalter zum Bestatter und der Mannheimer Eisenbeis übernahm im Oktober die Firma Ernst. Auf langjährige Erfahrungen können sie alle bauen: Firma Ernst zählt durch die Gründung 1978 zum ältesten Unternehmen und Steinmetzbetrieb Schick ist bereits in fünfter Generationen Familienhand.

Zum Trotz der Tradition, ist der freie Beruf des Bestatter erst seit 2003 ein offizieller Ausbildungsberuf. Früher stand die Dienstleistung noch auf dem Zusatzangebot des Dorfschreiners. Die Karriere beginnt heute aber nicht mehr am Hobeltisch, sondern startet bei drei Jahren Lehrzeit, thanatologischen Fortbildungen oder einem Besuch in der einzigen Bestatterschule Deutschlands, im Bayrischen Münnerstadt.

„Gestorben wird unverhofft und nicht auf Termin“, sagt Eisenbeis, „daher muss man extrem flexibel sein – jederzeit erreichbar.“ Die Arbeit beginnt in den meisten Fällen am Telefon mit anschließendem Trauergespräch. „Die Menschen funktionieren schon, auch wenn sie natürlich wie in Watte eingewickelt sind“, meint Schick. Und Holz ergänzt: „Alle trauern ganz unterschiedlich. Wie oft haben wir hier auch schon gelacht!“

Die Beratung bezieht sich aber nicht nur auf die Trauerfeier. So ist vielen unbekannt, dass Minderjährige bei Verlust eines Elternteils Halbwaisenrente beantragen können. „Der Staat wird sie darauf sicherlich nicht hinweisen.“ Heirats- oder Geburtsurkunde, Personalausweis, Sterbeschein des Amtsarztes, Sterbeurkunde und vieles mehr muss beschaffen werden. Letzteres darf übrigens nur am Todesort ausgestellt werden „was problematisch ist, wenn jemand in Spanien verstirbt.“ Versicherungen, Renten, Krankenkasse – für das bürokratische Blätterdickicht werden scharfe Macheten benötigt. Rathaus, Presse, Pfarrer, Organistin, Transporthelfer, Florist, Friedhofsverwaltung… mit allen gilt es Kontakt aufzunehmen. Schon in den Ortsteilen läuft alles verschieden: In Ringklingen läutet etwa für verstorbene Frauen eine helle, für Männer eine dunkle Glocke.

Gute Beratung geht über den Eigenprofit hinaus. „Man muss die Leute schon darauf hinweisen, dass es zum Einäschern keinen teuren Eichensarg bedarf“, erklärt Holz.  Auch für die Totenwaschung reicht Seife, Wasser und vielleicht mal ein Schminkpflaster. „Es ist gar nicht so fürchterlich, wie alle immer denken. Da wird man im Fernsehen mit weitaus Schlimmerem konfrontiert“, behauptet Eisenbeis. Trotzdem gibt es Fälle, in denen der Sargdeckel besser zu bleiben sollte.

Anschließend werden Grab und Trauerhalle individuell dekoriert. Es ist nicht unüblich, dass die Bestatter auch Traueransprache halten. Und falls es doch noch langweilig werden sollte, gibt es weitere Aufgaben im Angebot: Schick wurde etwa 2011 mit dem Ordner und Trägerdienst der Stadt Bretten beauftragt. Wenn die Polizei ruft, muss er ausrücken. „Natürlich ist mein Leichenwagen nicht allzeit in Habachtstellung wie die Feuerwehr.“ Als Steinmetz kümmert er sich außerdem um die Grabsteinbeschaffung oder fertigt sie selbst an. „Tatsächlich kann ich die Zeit so besser kontrollieren und auf  individuelle Wüsche eingehen. Die Leute glauben immer, alles sei so schnell verfügbar. Dabei werden viele der Materialien erstmal verschifft.“

Einen offeneren Umgang mit dem Sterben wünschen sich alle drei. Eisenbeis plant ab Oktober einen Tag der offenen Tür – immer am ersten Donnerstag des Monats. „Neulich hatte ich Praktikanten aus dem Pflegedienst hier oder eine Schulklasse, die das Sterben behandelt“, erzählt Holz. Eine Verabschiedung in gewohnter Umgebung findet sie außerdem viel persönlicher, auch wenn das schon zu den alten Ritualen gezählt wird. „Wenn die Kinder etwas beitragen möchten, gebe ich ihnen Kieselsteine zum Anmalen. Die können sie später mit ans Grab legen.“

Für jeden endet der Job anders. „Natürlich muss man nicht die Mutter Theresa spielen. Auf der anderen Seite renne ich auch nicht bei der Beerdigung mit der fertigen Rechnung herum“, so Schick. Für ihn und Holz ist die Beisetzung kein Schlussstrich und wenn Trauerbegleitung erwünscht ist, geht man gerne den Weg weiter. Häufig reiche der Verweis auf das Trauercafé der Diakonie oder, wie Holz findet „gemeinsam das Grab aufzusuchen, da zu sein und den Menschen Halt geben.“

Nun aber nochmal im Schnelldurchlauf. Worauf kommt es beim Bestatter an? Holz: „Entlastung.“ Eisenbeis: „Einfühlungsvermögen.“ Schick: „Respekt und Ehrlichkeit – das ist kein Ausbeutegeschäft.“ Nicht jeder kann den Beruf ausüben, da sind sie sich einig. „Im Grunde ist das Sterben ein magischer und einzigartiger Moment“, sagt Schick, „und Menschen in diesen Stunden zu begleiten eine wertvolle und schöne Arbeit, an der man wächst.“ Selbst nach Jahren muss man aufpassen, dass man nicht daran zerbricht und ob es nun das Ablegen der schwarzen Kleidung, die Freizeit mit der Familie oder ein geschenkter Blumenstrauß ist, da haben alle drei ganz unterschiedliche Strategien gefunden, mit dem Tod umzugehen.
 

Philipp Neuweiler

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